
26.9.2024 „Jetzt erst Recht – nicht rechts!“
Hi, ich bin die Tess von Junge Linke und wir haben in Vorbereitung auf diese Demo diskutiert, was es für uns eigentlich konkret heißt gegen Rechts zu sein. Also abseits Floskeln und Demosprüchen und in Zeiten eines massiven Rechtsruck, mit Aussicht auf eine rechte Regierung. Was heißt es dann gegen Rechts zu sein?
Auf meine erste Demo gegen Rechts bin ich vor ungefähr drei Jahren gegangen, anfangs sehr motiviert, ich habs genossen umgeben von Mitstreiter:innen zu sein und gemeinsam diese Wirkmächtigkeit zu spüren. Spätestens ab der fünften Demo ist dieser Elan aber immer mehr geschrumpft und mein Ohnmachtsgefühl dafür gewachsen. Mein Kopf hat geschwirrt vor lauter Floskeln, hinter denen ich ja prinzipiell steh, die mir viel zu vage und unkonkret in Hinblick auf den Ernst der Situation waren. Die Demo war vorbei und nach der Euphorie, gemeinsam laut für eine bessere Welt zu sein, war mein Kopf nur voller Fragen. Ich hab mich nach einem konkreten Auftrag
gesehnt, der mich aus dieser Ohnmacht wieder rausholt. Dieses Ohnmachtsgefühl, nicht nur bezogen auf den Rechtsruck, sondern
auch auf den allgemeinen Zustand unserer Welt, den wir gerade erleben, teile ich mit den meisten. Wir merken, dass alle nur von einer Krise nach der anderen reden und alles immer ungerechter wird. Wir sind enttäuscht von der Politik, die nichts dagegen macht und ihren tausenden leeren Versprechen. Wir wünschen uns Veränderung, fühlen uns aber, als würde unsere Stimme nicht gehört werden.Dieses Gefühl teile ich mir auch mit FPÖ Wählerinnen. Und dieser Frust ist auch genau wo Populistinnen ansetzen. Sie bieten einfache Lösungen auf komplexe Probleme, geben den Leuten das Gefühl gehört zu werden und framen sich als Anti-Establishment, sind aber in Wahrheit genauso Establishment wie alle anderen, denn sie suchen die Ursache für die unzähligen Krisen nicht in unserem System, sondern in Sündenböcken.
Die FPÖ bietet den Perspektivlosen eine Perspektive – eine falsche Perspektive, aber dennoch. Wir dürfen uns aber nicht allein gegen die FPÖ richten, denn der Boden dafür wird bereitet durch die Politik aller etablierten Parteien, die die Bevölkerung ihrer Perspektivlosigkeitigkeit überlässt. Sie fühlen sich im Stich gelassen und werden zusehends frustriert. Dieser Frust und das
verlorene Vertrauen in die anderen Parteien ist der Nährboden der FPÖ. Doch für uns Linke ist dieser Frust ein Auftrag: Die grundlegende Veränderung, die sich die Menschen wünschen, wieder denkbar und spürbar zu machen. Wir müssen das Ohnmachtsgefühl durchbrechen und an dessen Stelle Wirkmächtigkeit und Hoffnung setzen. Und eine Perspektive auf eine
Welt bieten, die nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach dem Profit ausgerichtet ist. Und das nicht nur mit unseren Worten, sondern vor allem durch unser Tun. Durch Projekte, die gesellschaftliches Leben wieder aufbauen und Solidarität spürbar machen und durch Räume, in denen wir Visionen diskutieren können. Diese andere, wirklich soziale Politik ist das beste Mittel gegen Rechts. Graz ist ein gutes Beispiel dafür, dass überall, wo eine glaubwürdige soziale Kraft vertreten ist, konservative und rechte Parteien nicht so einfach vom Fleck kommen.
Und wir müssen auch ehrlich zu uns sein: Demos gegen Rechts werden den Rechtsruck nicht aufzuhalten. FPÖ Wähler*innen überzeugt man nicht, indem man gegen sie demonstriert, man überzeugt sie mit glaubwürdiger linker Politik, die Alternativen bietet, sie ernst nimmt und ihnen zuhört. Aber Demos können uns Mut und Kraft geben und ein Ort sein, um uns auszutauschen und zu organisieren, für die Arbeit, die nach der Demo kommt. Das ist es also was es für mich bedeutet gegen Rechts zu sein: Gemeinsam an einer glaubwürdigen Alternative für eine bessere Welt zu arbeiten und zu zeigen, dass Ungerechtigkeit nicht zu individueller Ohnmacht werden muss, sondern auch in kollektive Wirkmächtigkeit verwandelt werden kann. Und so den Rechten ihren Nährboden entziehen. Darum der Appell, den ich mir damals gewünscht hätte: Organisiert euch an diesen Orten, wo ihr diese Wirkmächtigkeit spürt. Für mich ist dieser Ort Junge Linke, aber er kann vieles sein, schaut euch um und findet heraus, welcher Ort euch dafür sinnvoll erscheint.
Diesen Ort werdet ihr wahrscheinlich vor allem diesen Sonntag brauchen, wenn ihr die ersten Hochrechnungen seht. Für diesen Moment möcht ich euch noch die Worte von Clara Zetkin mitgeben:
„Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!“
Und wer weiß, vielleicht wird man am Diagramm ja auch einen dunkelroten Balken sehen können, der für Hoffnung steht.